ChatGPT 4 und die minderjährige Schwarzfahrerin

Der folgende Chat mit ChatGPT 4 zu einem altbekannten Thema zeigt aus meiner Sicht nur eins: Die neue Version ist nicht besser geworden als die alte – schlechter möchte man meinen. Nachdem die Macher von ChatGPT von der 500-fachen Anzahl von Parametern reden, stellt sich die Frage, ob das eher für Verwirrung sorgt und ob man wirklich durch mehr Masse eine positive Entwicklung erwarten kann.

Aufgabe Schwarzfahrt

T ist 15. Sie steigt am 23.8.2022 in den Sommerferien in eine U-Bahn des MVV ein, um zum Sport zu fahren. In den Ferien besitzt sie anders als in Schulzeiten keine Monatskarte. Aus Gewohnheit vergisst sie, eine Verkarte zu kaufen. Bei einer Kontrolle kann sie keine gültigen Fahrschein vorweisen. Der Kontrolleur möchte ihr einen Fahrschein zum erhöhten Beförderungsentgelt von 60,-€ verkaufen, wie es in den Beförderungsbedingungen des MVV vorgesehen ist. T kann nicht zahlen und gibt ihre Personalien an.

Am 14.09.2022 erhält T einen Brief, in dem der MVV die Zahlung des Beförderungsentgelts fordert. Die Eltern der T schreiben an den MVV folgenden Brief:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Tochter T ist 15 Jahre alt und deshalb minderjährig. Sie kann deshalb keinen gültigen Beförderungsvertrag abschließen. Wir haben unserer Tochter deutlich verboten, ohne Fahrschein U-Bahn zu fahren, und werden die fragliche Fahrt auch nicht genehmigen. Unsere Tochter ist auch versehentlich ohne Fahrschein U-Bahn gefahren. Sie besitzt in der Schulzeit ein Monatskarte und ist aus reiner Gewohnheit in die U-Bahn ohne Einzelfahrschein gestiegen.
Wir sehen keinen Anspruch des MVV gegen unsere Tochter oder uns auf Zahlung eines erhöhten Beförderungsentgelts und werden deshalb auch nicht zahlen.
Beste Grüße…“

Verweigern die Eltern und die Tochter die Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts zu Recht?


T hat allerdings Angst, dass sie auch strafrechtlich belangt werden könnte – zu Recht?
Bitte schreib zu beiden Fragen ein Gutachten und zeige auf, ob es hier unterschiedlichen Meinungen gibt?

Gutachten:

Die Eltern und die Tochter sind nicht berechtigt, die Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts zu verweigern. Gemäß §110 Abs. 1 S. 1 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) sind Fahrgäste verpflichtet, bei der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) den Fahrpreis zu entrichten. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, kann der Verkehrsbetrieb ein erhöhtes Beförderungsentgelt in Rechnung stellen (§ 65 Abs. 1 S. 1 PBefG). Das erhöhte Beförderungsentgelt in Höhe von 60,-€ ist in den Beförderungsbedingungen des MVV vorgesehen und damit wirksam.

Die Tatsache, dass T minderjährig ist, ändert nichts an ihrer Zahlungspflicht. Gemäß § 104 BGB kann ein minderjähriger Verträge abschließen, wenn er eine Einwilligung des gesetzlichen Vertreters hat. In diesem Fall ist jedoch kein Vertragsschluss erforderlich, da die Zahlungspflicht durch gesetzliche Vorschriften begründet wird.

Die Argumente der Eltern, dass sie ihrer Tochter das Fahren ohne Fahrschein verboten haben und dass die Fahrt versehentlich erfolgte, sind nicht relevant für die Zahlungspflicht. Es besteht auch keine Verpflichtung des MVV, die Fahrgäste auf ihre Pflicht zur Fahrscheinlösung hinzuweisen. Das bedeutet, dass die fehlende Absicht der T und das Verbot der Eltern keinen Einfluss auf die Zahlungspflicht haben.

Die Verweigerung der Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts ist somit unbegründet. Sollten die Eltern und die Tochter die Zahlung verweigern, kann der MVV zivilrechtliche Schritte einleiten, um die Zahlung durchzusetzen.

Was die mögliche strafrechtliche Verfolgung betrifft, so ist eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 265a StGB (Erschleichen von Leistungen) gegeben, wenn jemand den Fahrpreis nicht entrichtet und dadurch eine Beförderungsleistung erschleicht. In der Regel wird die Verhängung eines Bußgelds erfolgen, da es sich um eine Ordnungswidrigkeit handelt. Eine strafrechtliche Verfolgung ist jedoch eher unwahrscheinlich, da die Tat nicht schwerwiegend ist und die T noch minderjährig ist.

Es gibt keine unterschiedlichen Meinungen, dass die Eltern und die Tochter zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet sind. Dies ergibt sich aus den klaren gesetzlichen Regelungen und der Rechtsprechung.

Hört, hört! Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.

  • Das mit dem Gutachten sollte die KI noch lernen.
  • Zivilrecht
    • Einen § 110 PBefG gibt’s nicht. Da hat die KI vielleicht den § 110 BGB mit dem PBefG vermischt. Der berühmte Taschengeldparagraph ist hier allerdings nicht relevant. Er käme eventuell zur Anwendung, wenn T die 60,-€ tatsächlich bezahlt hätte.
    • In § 65 Abs. 1 S. 1 PBefG sind irgendwelche Ausnahmen geregelt, aber sicher kein erhöhtes Beförderungsentgelt.
    • Es scheint mir eher eine Mindermeinung, die einen Vertragsschluss für nicht erforderlich hält. Entsprechend kommt es schon auf die Genehmigung der Eltern an. Die ist übrigens in § 107 BGB geregelt. § 104 BGB besagt lediglich, dass T minderjährig ist.
    • Letztlich würde ich dem MVV nicht raten, zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Nach meiner Erfahrung macht er das aber auch nicht.
  • Im Strafrecht schaut’s nicht soviel besser aus:
    • Eine Ordnungswidrigkeit nach StGB … Es heißt doch schon Strafgesetzbuch und nicht Ordnungswidrigkeitengesetzbuch.
    • Der § 265a StGB könnte natürlich relevant sein.
    • Das Bußgeld wegen der Ordnungswidrigkeit. Ich glaub, da geht einiges durcheinander.
    • Die strafrechtliche Verfolgung wird es schon deshalb nicht geben, weil nur vorsätzliches Schwarzfahren strafbar ist. T hat aber doch sehr plausibel dargelegt, dass es ein Versehen war. Bei wiederholten „Versehen“ kann dann aber gelegentlich der Glaube von Staatsanwaltschaft und Gericht schwinden.

Also im Großen und Ganzen klingt das alles so, dass unbedarfte Nutzer:innen das wohl glauben können. Es ist aber leider Humbug. Und sorry ChatGPT 4, da war die Vorgängerin ja besser!

Eine Frage liegt mir aber noch am Herzen:

Kannst Du mir Rechtsprechung dazu nennen?

Gerne. Es gibt mehrere Entscheidungen, die sich mit der Zahlungspflicht bei fehlendem Fahrschein im ÖPNV befassen. Hier sind einige Beispiele:

  • In einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.04.2016 (Az. VI ZR 123/15) wurde entschieden, dass Fahrgäste auch dann zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet sind, wenn sie aufgrund von technischen Problemen keinen Fahrschein lösen konnten. Der Fahrgast muss sich in diesem Fall darum bemühen, den Fahrschein anderweitig zu erwerben (z.B. bei einem Automaten am Zielbahnhof).
  • In einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 13.01.2017 (Az. 15 U 13/16) wurde entschieden, dass auch minderjährige Fahrgäste zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet sind, wenn sie ohne gültigen Fahrschein im ÖPNV unterwegs sind. Die Zahlungspflicht ergibt sich aus dem Personenbeförderungsgesetz und nicht aus einem Vertrag.
  • In einem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 14.01.2021 (Az. 11 C 3627/20) wurde entschieden, dass Fahrgäste auch dann zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet sind, wenn sie aufgrund von gesundheitlichen Problemen keinen Fahrschein lösen konnten. Der Fahrgast muss sich in diesem Fall umgehend an das Personal des Verkehrsbetriebs wenden, um eine Lösung zu finden.

Diese Entscheidungen zeigen, dass Fahrgäste grundsätzlich zur Zahlung des erhöhten Beförderungsentgelts verpflichtet sind, wenn sie ohne gültigen Fahrschein im ÖPNV unterwegs sind. Auch eine fehlende Absicht oder ein Verbot durch die Eltern entbindet sie nicht von dieser Zahlungspflicht.

Hier ist jetzt juristische Recherche gefordert, denn ohne nachzulesen, kann man das alles nicht so recht von der Hand weisen. Die Zitate sind Formal jedenfalls korrekt.

  • Also ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.04.2016 (Az. VI ZR 123/15) gibt es tatsächlich. Nur da geht’s nun wirklich um ganz etwas anderes: „Der Kläger (im Folgenden als „die klagende Partei“ bezeichnet) nimmt die Beklagten im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen behaupteter Prospektmängel auf Schadensersatz in Anspruch.“ Ob der BGH zu unserem Problem etwas entschieden hat, lässt sich aus dem freien Web auf Anhieb nicht entnehmen.
  • Bei den anderen Urteilen war es mir bisher leider nicht möglich, sie im Web zu finden. Wäre spannend zu wissen, ob es diese Entscheidungen gibt, und, wenn ja, was da so drin steht und wie ChatGPT drangekommen ist. Es ist aber nach den bisherigen Erfahrungen durchaus auch möglich, dass die Entscheidungen frei erfunden sind.

Am Rande: Es gibt eine Entscheidungen des AG Duisburg, die eine Zahlungspflicht annimmt. Das Gericht konstruiert eine generelle Einwilligung der Eltern für Kinder mit Monatskarte, immer den ÖPNV nutzen zu dürfen. Sie geht dabei davon aus, dass Eltern sich keine Gedanken machen, ob die Kinder eine Fahrkarte haben oder nicht. Das scheint mir doch sehr weit hergeholt. Die Richter:innen hat vielleicht selbst keine Kinder.

Im vorliegenden Fall haben die Eltern jedenfalls ausdrücklich eine Genehmigung von Schwarzfahrten abgelehnt. Da kann man dann auch keine Generalgenehmigung mehr konstruieren.

Fazit

In diesem Fall scheint mir ChatGPT 4 jedenfalls schwächer als die vorherige Variante. Hier bringt die KI alles durcheinander und schmeißt mit unnötigen Falschzitaten um sich. Man hat das Gefühl, sie will noch professioneller auftreten als die Vorgängerin und macht dabei noch mehr Fehler. Leider kling alles, was sie sagt, professionell und ist für einen Rechtslaien plausibel. Das genau macht die Gefahr aus. Noch mehr Schein als Sein.

Die wirkliche Frage, die nun im Raum steht: Kann man von mehr Parametern wirklich eine Entwicklung zum Positiven erwarten oder offenbaren sich jetzt erst recht grundsätzliche systematische Schwächen?